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Gewaltfreie Kommunikation

Du möchtest lernen, wie du Konflikte in deiner Familie, deiner Beziehung oder deiner Arbeit mit Herz bewältigen kannst? Dann bist du bei diesem Artikel genau richtig! Das Modell der Gewaltfreien Kommunikation gibt dir nämlich einen Leitfaden, wie du deine Bedürfnisse besser ausdrücken kannst. D.h. so, dass sie beim anderen ankommen. Aber auch, wie du erkennst, worum es eigentlich deinem Gegenüber geht, wenn es dich beschimpft, anschreit oder ständig kritisiert. Mit den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation soll es dir möglich sein, Konflikte zu lösen und mit deinem Gegenüber Strategien zu entwickeln, die eure beider Bedürfnisse erfüllen und somit euer Leben bereichern!

Was erwartet dich nun konkret? Zuerst erklären wir dir, was Gewaltfreie Kommunikation ist und welche Rolle unerfüllte Bedürfnisse in unserer Kommunikation einnehmen. Dann schauen wir uns die 4 Schritte des Gesprächsprozesses der Gewaltfreien Kommunikation an:

  • Beobachten
  • Gefühl erkennen
  • Bedürfnis erkennen und
  • Bitte äußern.

Anschließend geben wir dir eine Step by Step Anleitung, wie du diese Schritte in einem Konflikt anwenden kannst, inkl. einem Dialogbeispiel! Zum Schluss weisen wir dich noch darauf hin, welche häufigen Kommunikationsmuster nicht gewaltfrei sind. Na, haben wir dein Interesse geweckt? Dann nichts wie los!

Gewaltfreie Kommunikation: Was ist das?

What I want in my life is compassion,
a flow between myself and others based
on a mutual giving from the heart.
—Marshall B. Rosenberg, PhD

Vom Mitgefühl zur Konfliktlösung und zur Kooperation

Gewaltfreie Kommunikation bezeichnet ein Kommunikationsmodell, das in den frühen 1960er Jahren von dem US-amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde. Laut seinem Buch “Nonviolent Communications” fragte sich Marshall Rosenberg, wie manche Menschen selbst in den schwierigsten Situationen ihr Mitgefühl und ihre Barmherzigkeit anderen gegenüber behalten können, während andere in Aggressionen und Rage verfallen. Nach eigenen Angaben fand er nach langer Recherche und Forschung heraus, dass vor allem Sprache und die Wahl der Worte die Fähigkeit zum Mitgefühl und zur Kooperation mit anderen stark beeinflussen. So entwarf er eine Art der Kommunikation - also des Sprechens und des Zuhörens-, die uns dazu ermutigt, uns mit uns selbst und anderen empathisch zu verbinden und von Herzen zu geben. Das Modell liefert einen Leitfaden zur Konfliktlösung und zum gegenseitigen Verstehen des Anderen.  

SIDE FACT: Gewaltfreie Kommunikation oder im Englischen “Nonviolent Communication” nennt er das Modell deshalb, weil Worte verletzen können und so durch sie ebenfalls eine Form der Gewalt ausgeübt werden kann - anderen oder sich selbst gegenüber. Noch ein kleiner Funfact: Der Begriff “gewaltfrei” oder “nonviolent” sei von Gandhi inspiriert und beziehe sich auf den natürlichen Zustand des barmherzigen Herzens

Der Verein “Gewaltfreie Kommunikation Austria” schreibt dazu: Das Modell soll Menschen unterstützen, “mit sich selbst und anderen in empathische Verbindung zu treten, und im sozialen Miteinander die Anliegen aller beteiligten Menschen zu berücksichtigen. […] Eine geleitete Gesprächshandlung soll einerseits Konfliktlösung ermöglichen, andererseits den Beteiligten Wertschätzung entgegenbringen und zu einer Kooperation in bestimmten Belangen ermutigen.”

Vom Ausdrücken und Zuhören

Gewaltfreie Kommunikation soll salopp gesagt jegliches bewusste oder unbewusste manipulative Verhalten verhindern und durch einen Dialog auf Augen-und Herzenshöhe ersetzen. Gewaltfreie Kommunikation trainiert unser Vermögen uns auszudrücken und anderen richtig zuzuhören - richtig, im Sinne, dass wir wirklich das Heraushören, was die Person uns eigentlich sagen möchte - selbst wenn ihre Worte sich mit ihrer inneren Intention nicht decken.

Mit unseren Worten sollen wir nicht mehr bloß auf Gesagtes REAGIEREN, sondern bewusst AGIEREN anhand dessen, was wir wahrnehmen, fühlen und wonach wir uns sehnen. Es ist ein Tool, mit dem Menschen lernen können, sich ihren Bedürfnissen bewusst zu werden und diese klar zu formulieren. Denn nach Rosenberg ist jegliche Kommunikation von uns ein Nachaußentragen von Bedürfnissen - nur manchmal gelingt es uns nicht, diese für den anderen verständlich in Worte zu packen. Das kann und soll allerdings gelernt werden.

Gleichzeitig lehrt GFK, Bedürfnisse anderer zu erkennen (auch wenn sie nicht klar formuliert sind) und ihnen auf für beide förderliche Weise zu begegnen. Wir lernen in jeglicher Situation das zu artikulieren, was wir wirklich wollen und um das zu bitten, was uns nach vorne bringt. Auf diese Weise sollen Konflikte vermieden und gelöst werden können.

Dadurch, dass die Technik der Gewaltfreien Kommunikation vor allem einen Fokus auf das Zuhören und das Erkennen des Inneren des Anderen legt, fördert sie Respekt, Aufmerksamkeit, Empathie und erzeugt ein gegenseitiges Verlangen, von Herzen zu geben.

Unerfüllte Bedürfnisse

„Alle Form von Gewalt ist ein tragischer Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse"
(Marshall B. Rosenberg)

Laut Rosenberg müssen wir, wenn wir anderen wirklich helfen wollen, zuerst lernen jegliche Botschaft und Kommunikation des Gegenübers in einen Ausdruck eines Bedürfnisses zu übersetzen.

Laut Rosenberg sind Verurteilungen, Kritik, Analysen und Interpretationen von anderen alle eine entfremdete Weise unsere Bedürfnisse auszudrücken. Wenn wir das Verhalten anderer bewerten oder interpretieren, teilen wir indirekt ein unerfülltes Bedürfnis mit - unser Gegenüber wird aber höchst wahrscheinlich Kritik heraushören. Und wenn Menschen annähernd das Gefühl haben, kritisiert zu werden, tendieren sie dazu, sich selbst zu verteidigen oder eine Gegenattacke zu starten.

Ein Beispiel eines unerfüllten Bedürfnisses wäre: Wenn jemand sagt “Du verstehst mich nie”, sagt er in Wahrheit, sein Bedürfnis verstanden zu werden, wird nicht erfüllt. Oder wenn ein Elternteil sein Kind als “faul” bewertet, vermittelt das Elternteil eigentlich, dass dieses Verhalten bei ihm selbst auch sanktioniert wurde.

Andere können höchstens der Stimulus für deine Gefühle sein, nicht die Ursache.

  • Was andere tun kann ein Stimulus sein für unsere Gefühle, aber nicht die Ursache.
  • 4 Arten zu reagieren, wenn man eine negative Nachricht hört:
  • Das Urteil des anderen persönlich nehmen, als wahre Aussage über sich selbst anzunehmen und sich zu beschuldigen. “Du bist die egoistischste Person, die ich jemals getroffen habe.” - “Oh das tut mir Leid, du hast Recht, ich hätte mehr Rücksicht nehmen sollen.” Wenn wir dies auswählen, leidet unser Selbstbewusstsein darunter und wir empfinden Schuld und Scham.
  • Andere beschuldigen: Als Antwort: “Du hast gar kein Recht so etwas zu sagen! Ich bin sehr selbstlos. Du bist derjenige, der egoistisch ist!”
  • unsere Gefühle und Bedürfnisse beschreiben
    ”Wenn ich dich so etwas sagen höre, bin ich verletzt, denn ich brauche etwas Anerkennung von dir, dass ich mir Mühe gebe, auf dich einzugehen”
  • die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers zu erspüren
    Bist du verletzt, weil du dir wünscht, ich würde besser auf deine Bedürfnisse eingehen?

Der Gesprächsprozess der Gewaltfreien Kommunikation zusammengefasst

Die Gewaltfreie Kommunikation gibt Dir konkrete und erlernbare Werkzeuge in die Hand, die Dich dabei unterstützen

  • Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, ohne Dein Gegenüber zu beschuldigen oder zu kritisieren;
  • Bitten klar zu formulieren, ohne anderen zu drohen, sie zu manipulieren oder zu erpressen;
  • Vorwürfe, Kritik und Forderungen nicht persönlich zu nehmen, sondern durch mitfühlendes Hören zu klären, welche unerfüllten Bedürfnisse dahinterstehen;
  • eigene Anliegen auszudrücken, ohne die Beziehung zum Anderen zu gefährden - und somit die Chance zu erhöhen, das zu bekommen, was wir wirklich wollen

Annahmen, die dem Prozess der Gewaltfreien Kommunikation zugrunde liegen sind:

  • Alles, was ein Mensch tut, ist ein Versuch, eigene Bedürfnisse zu erfüllen.
  • Jegliche Form von Gewalt ist ein tragischer Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse.
  • Die Ursache für Gewalt basiert in unserem Denken.
  • Es ist für alle Beteiligten förderlicher, Bedürfnisse durch Kooperation, statt durch Wettbewerb zu erfüllen.
  • Zum Wohle anderer beizutragen, bereitet dem Menschen von Natur aus Freude, wenn er das freiwillig tun kann.
  • Gefühle sind unser Alarmsystem, das anschlägt, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt (bei als negativ empfundenen Emotionen) oder erfüllt (bei als positiv wahrgenommenen Emotionen) werden. Daher ist es wichtig, auf unsere Gefühle zu hören, sie richtig zu interpretieren und ihnen Platz zu geben.
  • Gefühle wie Wut und Zorn sind also auch in der gewaltfreien Kommunikation wichtig, es kommt nur darauf an, WIE man sie ausdrückt.

Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis

4 Schritte zur Gewaltfreien Kommunikation

Die folgenden vier Schritte sollen einem helfen, die innere emotionale Welt zu verstehen und die daraus resultierenden Bedürfnisse ausdrücken zu können. Dies wird besonders in Konfliktsituationen angewandt. In einem Konflikt ist es außerdem nicht nur wichtig, DASS wir unsere Bedürfnisse ausdrücken, sondern auch dass wir sie so ausdrücken, dass unser Gegenüber uns hören kann. Dies bedarf einer gewissen Reflexion, ansonsten kann es leicht sein, dass unser Gegenüber einen Vorwurf oder einen Angriff auf seine Person und nicht unser Anliegen hört.

Die Schritte sind Folgende:

  • Beobachtung
  • Gefühl erkennen und benennen
  • Bedürfnis erkennen und benennen
  • Bitte formulieren

Beobachtungen

Der erste Schritt der Bewusstwerdung über die Situation ist die nüchterne Beobachtung. Dabei stelle ich mir folgende Fragen:

  • Was sehe ich, höre ich, nehme ich konkret im Moment wahr, ohne mich selbst oder andere zu verurteilen und zu bewerten?
  • Wie nehme ich meine äußeren Umstände wahr?
  • Was ist Schritt für Schritt - ganz sachlich - passiert?
  • Wie würdest du die Situation gefühllos jemand anderes wiedergeben?

Hierbei ist es wichtig, nicht zu werten - also Beobachtung und Wertung strikt voneinander zu trennen.
Du siehst keinen “faulen” Menschen. Du siehst einen Menschen, der nie laufen gegangen ist, als du bei ihm warst und der gerne Mittagsschläfchen hält.

Weitere Beispiele konkreter Beobachtungen:

  • Gestern Abend hat Dilara mehrere Stunden am Handy verbracht und hat nicht mit der Familie gesprochen.
  • Stefanie hat mich während des Meetings nicht um meine Meinung gefragt.
  • Mein Freund ist gestern zwei Stunden später nach Hause gekommen als abgemacht. Ich konnte ihn auch nicht erreichen.
  • Meine Frau hat mich die vergangenen zwei Tage nicht geküsst.

Wertungen wären zum Beispiel:

  • Lisa war gestern grundlos sauer auf mich.
  • Yannik war echt aggressiv.
  • Mohammed hat mich gestern zwei Stunden ignoriert.
  • Meine Oma schämt sich für mich und meine Lebenspartnerin.

Gefühle

Nachdem ich mir nun die Situation von außen möglichst nüchtern vor Augen geführt habe, schaue ich nach innen und stelle mir folgende Frage:

  • Was fühle ich, ohne jemand anderes dafür verantwortlich zu machen?

Hierbei ist es wichtig, bei sich zu bleiben und tatsächlich ein Gefühl zu formulieren.
Beispiele für Gefühle wären:
“Ich fühle mich traurig/ verletzt/ wütend/ angsterfüllt/ beschämt/ einsam/ enttäuscht/ aufgeregt/ unsicher/ überrascht/ gestresst/..”
Versuche hier noch keine Begründung anzuhängen. Spür in dich hinein. Was fühlst du gerade? Lass die Ursache oder das Ziel deiner Gefühle kurz ruhen. Wende deine Aufmerksamkeit ganz dir zu.

Versuche nun bei der Formulierung tatsächlich Gefühle von Gedanken zu trennen. Oft beschreiben wir als ersten Impuls nämlich, was sich unser Verstand denkt, anstatt tatsächlich nur simpel das Gefühl zu benennen, das wir erleben. Hinweise, dass du eigentlich deine Gedanken beschreibst, sind laut Rosenberg:

  • Wörter wie “dass”, “wie”, “als ob”:
    “Ich fühle mich wie ein Versager.” “Ich fühle mich, als ob mir der Boden unter den Füßen entzogen wird.”
  • die Nutzung der Pronomen ich, du, er, sie, es:
    ”Ich habe das Gefühl, es ist sinnlos.” “Es tut mir weh, dass er sich mir entzieht.” “Ich habe das Gefühl, er liebt mich nicht.”
  • Namen oder Nomen, die Menschen bezeichnen:
    ”Ich habe das Gefühl, Kristian manipuliert mich.” “Ich fühle mich schrecklich, weil Marina mich nicht zurückruft.”

Diese Formulierungen benennen nicht konkret ein Gefühl. Beispiele, wie du Gefühle konkret benennen kannst:

  • “Ich bin traurig, weil du gehst.”
  • “Ich habe Angst, wenn du so etwas sagst.”
  • “Ich fühle mich in seiner Gegenwart unsicher.”
  • “Ich verzweifle, wenn ich an unser Projekt denke.”

Bedürfnisse

Nachdem du dir deiner Gefühle bewusst geworden bist, frage dich, welches Bedürfnis sie dir aufzeigen wollen.
Beispiele, was Gefühle aufzeigen können:

  • Du bist traurig. Du hast ein Bedürfnis nach Trost.
  • Du fühlst dich unsicher. Du hast ein Bedürfnis nach Sicherheit.
  • Du bist wütend. Du hast ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit.
  • Du bist einsam. Du hast ein Bedürfnis nach Bindung.

Das sind nur Beispiele. In deiner Situation können diese Gefühle vielleicht ganz andere Bedürfnisse aufzeigen. Überlege dir, welches größere Bedürfnis dir dein Gefühl aufzeigt. Gefühle können gute Lebensbegleiter sein, wenn sie richtig interpretiert werden. Sie sind eine Reaktion deines Unterbewusstseins, bevor dein Verstand überhaupt noch weiß, was in dir vorgeht. Versuche sie zu verstehen.

Nehmen wir die obigen Beispiele der Gefühle heran, um Bedürfnisse zu formulieren:

  • “Ich bin traurig, weil du gehst.” - Bedürfnis: “Ich sehne mich nach Nähe.”
  • “Ich habe Angst, wenn du so etwas sagst.” - Bedürfnis: “Ich habe ein Bedürfnis nach Bestätigung, dass ich weiterhin geliebt werde”
  • “Ich fühle mich in seiner Gegenwart unsicher.” - Bedürfnis: “Ich habe ein Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit und klarer Kommunikation.”
  • “Ich verzweifle, wenn ich an unser Projekt denke.” - Bedürfnis: “Ich habe ein Bedürfnis nach Struktur und Unterstützung.”

Bitten

Nachdem du nun hoffentlich weißt, was dein Bedürfnis ist, überlege dir:

  • Was kann dein Gegenüber konkret tun, um dieses Bedürfnis zu erfüllen?
  • Oder zumindest, um zu dessen Erfüllung in irgendeiner Form beizutragen?
  • Was kannst und möchtest du konkret machen, um dieses Bedürfnis zu erfüllen?

Wenn du dir das überlegt hast - bitte dein Gegenüber darum. Wenn du erkennst, aus welchem Mangel heraus ein (negatives) Gefühl bei dir entsteht und du dich darum kümmerst, dass du dir dieses Bedürfnis erfüllst - dann kannst du erfüllt und gestärkt an die Konfliktsituation oder an das Gespräch mit dem anderen herangehen und hast einen freien Blick für das tatsächliche Problem und das Anliegen des anderen. Wenn wir aus einem Mangel heraus agieren und versuchen, einen Konflikt zu lösen, werden wir dem Gegenüber mit Misstrauen begegnen und wenig Kraft für die Erfüllung des Bedürfnisses des Gegenübers aufwenden.

Ein Beispiel für eine Bitte:

Du bist traurig. Du hast ein Bedürfnis nach Trost. Eine konkrete Handlung, die dich im Moment trösten kann, ist eine Umarmung. Bitte dein Gegenüber, dich in den Arm zu nehmen. Du weißt, es würde dich trösten, mit einer Freundin zu reden. Bitte dein Gegenüber, dir kurz Zeit zu geben, es würde dir helfen, eine Freundin anzurufen. Danach bist du wieder bereit für das Gespräch.

In seinem Buch gibt der mittlerweile verstorbene Psychologe Marshall Rosenberger folgendes Beispiel, das alle vier Schritte befolgt:

Eine Mutter sagt zu ihrem Sohn: “Felix, wenn ich zwei gebrauchte Sockenpaare unter dem Kaffeetisch sehe und andere drei neben dem Fernseher (Beobachtung), bin ich gereizt (Gefühl). Ich brauche nämlich mehr Ordnung in den Räumen, die wir beide benutzen (Bedürfnis).”

Als nächstes formuliert sie eine spezifische Bitte: “Bist du einverstanden, deine Socken in dein Zimmer oder in die Waschmaschine zu geben?”

Mit dieser Bitte teilt sie klar mit, was sie von ihrem Sohn will, dass das Leben beider bereichern kann.

Wie du Step by Step eine Konfliktsituation auflösen kannst

Nachdem wir bisher vor allem darauf eingegangen sind, wie du dich am besten gewaltfrei ausdrücken kannst, schauen wir uns nun an, wie gewaltfreie Kommunikation in einer Konfliktsituation angewandt wird. Es ist nun egal wer beginnt, der Einfachheit halber sagen wir, dass du beginnst, deine Bedürfnisse nach dem Schema Beobachtung/Gefühl/Bedürfnis/Bitte mitzuteilen.

  1. Du teilst deinem Gegenüber deine Bedürfnisse mit.
  2. Dein Gegenüber teilt seine Bedürfnisse mit.
  3. Du versuchst die wahren Bedürfnisse des anderen zu erkennen, egal wie sich dein Gegenüber ausdrückt. Auch wenn dein Gegenüber eine Meinung, eine Verurteilung oder eine anderweite Analyse über dich ausspricht, versuche zwischen den Zeilen das wahre Gefühl und das wahre Bedürfnis zu erkennen.
  4. Nun versuchen beide wiederzugeben, wie sich das Gegenüber fühlt, welches Bedürfnis es hat und was es sich erwarten würde. Hierbei geht es darum, zu sehen, ob man einander richtig verstanden hat und der andere hat die Chance dich zu korrigieren, wenn dies nicht der Fall ist.
  5. Falls sich dein Gegenüber weiterhin nicht verstanden oder gehört fühlt, versuche mit weiterem Nachfragen zum Bedürfnis zu kommen.
  6. Achte darauf, dass ihr euch beide möglichst viel Empathie und Mitgefühl entgegenbringt.
  7. Nachdem nun beide wissen, dass sie gehört wurden und ihre Anliegen anbringen konnten, versucht gemeinsam Strategien und Lösungen zu entwickeln, wie ihr den Konflikt beseitigen und eure Bedürfnisse erfüllen könnt. Überlegt euch dafür konkrete Handlungen.

Um diese Schritte praktisch zu veranschaulichen, hier ein Erlebnis von Marshall Rosenberg:

Beispiel Konfliktsituation: “Du Mörder”

In Bethlehem hielt der US-amerikanische Marshall Rosenberg einen Workshop über Gewaltfreie Kommunikation für 170 palästinensische Männer in einer Moschee in einem Flüchtlingscamp. Am Weg ins Flüchtlingslager sah er leere Tränengaskanister, die in der Nacht zuvor aufs Flüchtlingslager geschossen worden sein mussten. Auf den Kanistern war die Prägung “Made in U.S.A.” zu lesen. In einer sehr aufgeheizten Stimmung kommt schließlich ein Moment, in dem ein palästinensischer Mann Marshall Rosenberg vor der ganzen Gruppe “Mörder” zuschreit. Andere schreien mit: “Mörder! Kindermörder!”

Hier der von der Autorin übersetze Dialog, der auch in seinem Buch “Nonviolent Communication” auf Seite 13 zu finden ist:

Rosenberg zu dem Mann: Bist du wütend, weil du wollen würdest, dass meine Regierung (die US-Regierung) seine Ressourcen anderweitig nutzen würde? (Rosenberg fügt hier hinzu, dass er nicht wusste, ob er das Bedürfnis erraten hatte, das wichtige sei aber, dass er ehrliche Ambition zeigte, mit dem Gefühl und dem Bedürfnis des Mannes zu connecten.)

  • Der Mann: Verdammt natürlich bin ich wütend! Denkst du wir brauchen Tränengas? Wir brauchen Abwasserkanäle, nicht euer Tränengas! Wir brauchen Unterkünfte! Wir brauchen unser eigenes Land!

R: Also bist du zornig und du würdest dir Unterstützung wünschen bei der Verbesserung eurer Lebensumstände und beim Erreichen eurer politischen Unabhängigkeit? (Rosenberg versucht einerseits das Gefühl und andererseits die konkreten Bedürfnisse des Mannes zu erfragen.)

  • M: Weißt du überhaupt, wie es ist, 27 Jahre hier mit meiner Familie so zu leben, wie ich es getan habe - mit Kinder und allen? Hast du überhaupt die kleinste Ahnung, wie das für uns ist?

R: Hört sich an, als würdest du sehr verzweifelt sein und dich wundern, ob ich oder jemand anders wirklich verstehen kann, wie es ist, unter solchen Bedingungen zu leben. (Hier wiederholt Rosenberger das Gefühl und das Bedürfnis des Mannes, das er heraushört.)

  • M: Willst du es denn verstehen? Sag mir, hast du Kinder? Gehen sie zur Schule? Haben sie Spielplätze? Mein Sohn ist krank! Er spielt im Abwasser! In seiner Schule gibt es keine Schulbücher! Hast du jemals eine Schule ohne Schulbücher gesehen?

R: Ich höre, wie schmerzhaft es für dich ist, deine Kinder hier zu aufzuziehen. Du hättest gerne, dass ich weiß, dass das, was du willst, das ist, was sich alle Eltern für ihre Kinder wünschen: gute Bildung, die Möglichkeit zu spielen und in einem gesunden Umfeld aufzuwachsen ..

  • M: Ja genau, die Basics! Menschenrechte - nennt ihr Amerikaner es nicht so? Wieso kommen nicht mehr von euch her und schauen sich an, was für Menschenrechte ihr herbringt?

R: Du wünscht dir also, dass mehr US-Amerikaner sich des ungeheuerlichen Ausmaßes des Leides hier bewusst werden und sich tiefergehender mit den Konsequenzen unserer politischen Maßnahmen auseinandersetzen?

Rosenberg schreibt weiter, dass der Dialog sich noch zwanzig Minuten auf diese Weise fortsetzte. Der Mann drückte seinen Schmerz aus und Rosenberg versuchte dabei das Gefühl und das Bedürfnis herauszuhören. Er bestätigte ihn nicht in seiner Meinung, sagte aber auch nicht, dass er es nicht tue. Rosenberg sah die Worte des Mannes nicht als eine persönliche Attacke sondern als Versuch eines Mitmenschen sein Innerstes mit ihm zu teilen.

Als der Mann sich verstanden fühlte, war es ihm möglich, Rosenberg seine Aufmerksamkeit zu schenken, als dieser erklärte, warum er diesen Workshop hielt. Eine Stunde später habe der gleiche Mann, der Rosenberg “Mörder” nannte, ihn zum Abendessen eingeladen.

Kommunikation, die Mitgefühl und Barmherzigkeit verunmöglicht

Hier ein paar Beispiele von Kommunikation, die nicht gewaltfrei ist.

Moralisierende Verurteilungen

Schuldzuweisungen, Beleidigungen, Kritik, Vergleiche und eigenständige Analysen des Anderen sind Formen von Verurteilungen. Sätze wie “Das ist unangebracht.”, “Das Problem ist dein Egoismus.” sind eigene Urteile über das Wesen oder Handlungen von Personen, die jemand anders vielleicht ganz anders sehen könnte.

Wenn wir diese Sprache verwenden, denken und kommunizieren wir, was falsch mit anderen ist oder vielleicht auch, was falsch mit uns ist. Unser Fokus besteht darauf verschiedene Levels zu bestimmen, was wer falsch macht, anstatt uns darauf zu fokussieren, was wir und andere brauchen, aber nicht bekommen.

Verurteilungen sind tragisch, weil wir durch sie bei Menschen, deren Verhalten für uns eine Rolle spielt, die defensive Haltung und den Widerstand uns gegenüber verstärken. Es kann auch sein, dass Menschen sich unseren Werten und Forderungen beugen, dies dann aber aus Angst, Schuld oder Scham.

Das Ziehen von Vergleichen

Vergleiche lösen bei vielen ein unbehagliches Gefühl aus und können als indirekte Kritik wahrgenommen werden. Daher reagieren auch die meisten defensiv darauf. Eine Verständigung auf Augenhöhe wird so schwer möglich sein.

Verantwortung für die eigenen Taten und Gefühle nicht übernehmen

Wenn wir die Verantwortung über unsere Gefühle, Gedanken und Taten nicht übernehmen, können wir schwer auf unsere innersten Bedürfnisse und die anderer eingehen. Wir können keine aktive Rolle bei Konfliktlösungen einnehmen. Sätze, die andeuten, dass jemand nicht Verantwortung für seine Taten oder Gefühle übernimmt, sind:

  • “Wegen dir fühle ich mich schuldig.”
  • “Es gibt Dinge im Leben, die muss man machen, ob du willst oder nicht.”
  • “Du hast mich so verletzt.”

Quellen:

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