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Patchworkfamilie: So kann es funktionieren

Patchwork-oder Stieffamilien sind heutzutage ein immer gängigeres Familienmodell. Meist basiert die neue Familienkonstellation auf dem Glück einer neuen Liebe zwischen den Erwachsenen – Verlust und Verletzungen stehen trotzdem dahinter. Bei allen Beteiligten. Es ist oft eine große Herausforderung als Patchworkfamilie zusammenzufinden und ein Harmonisches Miteinander zu gestalten. Wenn es dir auch so geht, dann haben wir hier 9 Impulse, die dir helfen und Orientierung geben sollen. Eines vorweg: Eine Patchworkfamilie erfordert viel Arbeit!

1. Die verschiedenen Phasen zur Harmonie  

Als Patchworkfamilie müsst ihr erst zusammenwachsen. Da hilft es, sich diesen Prozess der Familienwerdung in verschiedenen Phasen vorzustellen. Wir ziehen dafür die Entwicklungsphasen von …. heran. Wir listen sie im Folgenden gleich auf. Jede Phase hat ihre eigenen Schwierigkeiten, die man Schritt für Schritt meistern kann und bringt dich im Endeffekt zu deinem Ziel - der harmonischen Familie. Wenn Konflikte und Schwierigkeiten auftauchen, führt euch vor Augen, dass jede Phase euch die Chance bietet ein bestimmtes Konfliktfeld aufzuarbeiten. Auch wenn eure Familie vielleicht noch nicht wirklich harmonisch funktioniert, vergesst nicht: Die Frucht muss erst wachsen.

Die vier Entwicklungsphasen einer Patchworkfamilie:

Phase 1: Schnuppern und Kennenlernen
In der ersten Phase muss man sich vor Augen halten, dass Kinder oft noch eine Trennung bewältigen müssen und vielleicht nicht so begeistert sind, den neuen Partner oder die neue Partnerin gleich kennenzulernen. Ebenfalls kann es oft zu Missverständnissen und Konflikten kommen, weil man die Logik der Restfamilie nicht kennt. Die Herausforderung dieser ersten Phase besteht also darin, Raum zu schaffen für gegenseitiges Kennenlernen: Wie sieht die Logik der Restfamilie aus? Welche Rituale sind ihr wichtig? Wo kann ich hier als Stiefelternteil vielleicht andocken, mich einbringen? Dies alles mit Rücksicht auf die Kinder. Die Kinder sollen aktiv unterstützt werden, die neue Frau im Leben des Vaters (oder den neuen Mann im Leben der Mutter) näher kennenzulernen und nicht als Bedrohung und Konkurrenz, sondern als Bereicherung für ihr eigenes Beziehungsnetz zu erfahren. In dieser Phase spielt sich allerdings noch vieles an der Oberfläche ab und beide Partner sind noch sehr vorsichtig.

Phase 2: Machtkämpfe

Waren die Konflikte bisher eher subtil spürbar, werden sie in dieser Phase zunehmend offen ausgetragen. Die Mitglieder der Patchworkfamilie nehmen sich nicht mehr so zurück wie in der anfänglichen Phase. Oft geht es buchstäblich um einen Platz – am Esstisch, auf der Couch, auf dem Beifahrersitz im Auto. Im übertragenen Sinn geht es bei diesem Gerangel um den Platz im Familiensystem, um ganz konkrete Neugestaltung der Positionen und Rollen. In dieser Phase findet quasi das “Storming” statt, was ein ganz natürlicher Prozess einer Gruppendynamik ist, der von Konflikten getragen wird. Hier kann man versuchen,  Konflikte als Chance zu sehen, die Bindung zu den anderen Familienmitgliedern zu vertiefen. Man blickt erstmals tiefer in das Innere der anderen und kann sie auf einer anderen Ebene kennenlernen. Die  unterschiedlichen Bedürfnisse und Vorstellungen der Familienmitglieder prallen aufeinander, Gefühle schaukeln sich hoch und man muss einfach vermehrt Luft lassen. Hier kann es helfen, Rituale einzuführen, die einen Platz bieten, um diese Gefühle wie Wut, Ärger, Zorn, Trauer geregelt auszudrücken.

Phase 3: Fügung in Sicht

Die Kämpfe lassen nach, und die Lage beruhigt sich. Es gibt klare Abmachungen und Abläufe, an die sich alle langsam gewöhnen, und es entwickelt sich eine Vorstellung davon, wie das Patchwork-Zusammenleben aussehen könnte. Die neue Ordnung ist allerdings noch sehr zerbrechlich: kleinste Missachtungen oder Verstöße gegen vereinbarte Regeln, ob absichtlich oder aus Versehen, können immer noch dazu führen, dass wieder gestritten oder gar das gesamte System in Frage gestellt wird. Oftmals werden in dieser Phase erst tieferliegende Loyalitätskonflikte deutlich und können nun behandelt werden. Offene Kommunikation, auch in Form von Ritualen, ist jetzt besonders wichtig, da vieles noch einmal überdacht, revidiert und korrigiert werden muss.

Phase 4: Etablierung – „Wir sind so!“

In dieser Phase kennt man bereits die dazugekommenen Familienmitglieder sehr gut und hat ein Gespür für Dinge, die sie noch ändern können oder eben nicht. Man kennt ihre Eigenheiten und Schwächen und hat gelernt, sie zu akzeptieren. Auch Kinder haben sich auf die neuen Regeln und die neue Logik des Miteinanders eingelassen und können beispielsweise stehen lassen, dass die Stiefmutter Dinge anders macht als die Mutter. Hier ist man an einem Punkt angekommen, wo man nicht mehr grundsätzlich versucht, die anderen im Haushalt zu verändern oder andere Familienmuster durchzusetzen. In dieser Phase hat man es meist geschafft, zu einer relativ harmonischen Patchwork-Familie zusammenzuwachsen.

Diese Phasen müssen nicht strikt aufeinander folgen, sondern gehen ineinander über, springen manchmal hin und her und dauern mal länger, mal kürzer. Ausprägung und Intensität der einzelnen Phasen sind in jeder Patchwork-Familie anders – aber keine kann die damit verbundenen Aufgaben auslassen und überspringen.

2. Seien wir realistisch: Patchwork braucht mehrere Jahre

Nachdem wir hier die unterschiedlichen Patchwork-Entwicklungsphasen kurz angeschnitten haben, wollen wir dir eine realistische Auffassung mitgeben, wie lange dieser Familienwerdungsprozess dauern wird: Rechne mit einem Zeitraum von mindestens fünf bis sieben Jahren, bis ihr in der Familie die vierte Phase erreicht habt - die Phase, in der alle ein Regelsystem akzeptieren, Probleme hinreichend geklärt sind und jeder in seinen Eigenheiten weitreichend akzeptiert wird.

Diese Zeitangabe soll dir keine Angst machen, sondern dir den Stress nehmen. Egal wie sehr du dich bemühst, manche Dinge brauchen Zeit. Ein funktionierendes Zusammenleben mit verschiedenen Generationen und mehreren verschiedenen Menschen aufzubauen, ist so ein Ding. Daher sei dir bewusst: Du läufst einen Marathon. Teile dir deine Kräfte gut ein und sucht euch als Elternpaar auch immer wieder Momente, in denen ihr gemeinsam Energie tanken könnt!

Tipp: Wenn ihr das Gefühl habt, ihr seid überfordert oder euch einfach nach Hilfe sehnt - dann holt sie euch bei Eltern-und Familienberatungsstellen. Dies tut ihr im besten Fall möglichst bald, wenn Probleme entstehen und nicht erst, wenn die Familie dabei ist, kaputtzugehen.


3. Jeder Neuanfang geht mit einem schmerzhaften Ende einher

Beginnt euer Familienglück damit, dass Trauer, Wut und Schmerz über das Ende einer vorherigen Familienkonstellation Platz haben. Für Kinder ist nicht nur die Trennung der Eltern belastend, sondern dann auch ihre neue Realität: Das Pendeln zwischen zwei Haushalten, welche sich eigentlich wie zwei verschiedene soziale Welten anfühlen. Sie mit verschiedenen Werten, Lebensstilen, Erziehungsmustern und Gewohnheiten konfrontiert. Das müssen sie auch erst verarbeiten. Je nachdem wie alt sie sind, verstehen sie vielleicht den Grund der Trennung gar nicht und beziehen die Schuld auf sich. Auch einer der Partner kann noch Trauer-oder Wutgefühle bezüglich der alten Partnerschaft haben. Außerdem spielt der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin noch eine große Rolle, mit ihm oder ihr müsst ihr viele Absprachen treffen. Seht den Anfang eures Familienwerdungsprozesses als eine Art “bittersweet beginning”.

4. Auf Kinder zugehen, ohne sie in ein Beziehungsverhältnis zu drängen

Am Anfang ist es wichtig, die Familienmitglieder mal zu beobachten und Interesse zu zeigen. Erwachsene sind durchaus gefragt auf die Kinder zuzugehen, allerdings sehr achtsam. Versuche zum Beispiel nicht bereits am Anfang das Kind zu umarmen oder es anderweitig mit Liebe und Zuneigung zu überschütten. So kannst du sehr schnell eine Grenze des Kindes übertreten und es würde sich unwohl fühlen.

Auch bei Konflikten ist es wichtig, dass die Erwachsenen den ersten Schritt tun und in den Austausch gehen mit den Kindern. Auch wenn es schwierig ist. Und trotzdem ist es meine Verantwortung, als Elternteil dafür zu sorgen, dass hier eine gute Basis geschaffen werden kann und dass man Probleme auch wirklich bespricht.

5. Rolle des neuen Elternteils besprechen

Die Partner sollten sich darüber austauschen, welche Rolle der nichtbiologische Elternteil im Leben des Kindes spielen kann. Es muss nicht so sein, dass ich zwangsläufig eine soziale Elternrolle einnehme für dieses Kind. Ich kann auch ein guter Freund oder ein Begleiter des Kindes bleiben. Aber es ist wichtig, dass diese Dinge ausgesprochen werden und auch ausgesprochen werden dürfen. Der biologische Elternteil sollte auch mit dem Ex-Partner ein Gespräch suchen und erfragen, wie der Ex-Partner zum neuen Elternteil steht, welche Rolle der Ex-Partner im neuen Elternteil sehen kann, die die Familie als Ganzes bereichert.

Tipp: Es kann sehr helfen von “Bonuseltern” statt Stiefeltern zu sprechen. Dann wissen die Kinder, dass niemand versucht den anderen Elternteil zu ersetzen, sondern dass sie sich einfach auf eine zusätzliche Person in ihrem Leben freuen können.

6. Der natürliche Elternteil hat eine Schlüsselfunktion

Von der inneren und äußeren Haltung des natürlichen Elternteils hängt es ab, wie gut die Kinder die neue Situation und den neuen Elternteil annehmen können. Ein weiterer Faktor ist, wie sehr der natürliche Elternteil den neuen bei der Mitgestaltung der Familienrituale einbezieht.  Er ist es auch, der dem neuen Elternteil erklären muss, wie das Familiensystem funktioniert. Hier ist es wichtig, eine gute Balance zu finden - denn wenn der natürliche Elternteil seinen Partner zu sehr mit Liebe überhäuft vor den Kindern kann dies die Kinder verstören.

7. Die Kooperation mit dem Ex-Partner ist sehr wichtig


Die Ex-Partner sind beispielsweise dafür verantwortlich, dass es den Kindern gut geht, dass sie keine Schuldgefühle haben, wenn sie sich mit dem neuen Partner der Mutter oder des Vaters wohlfühlen. Oder auch wenn die gern Zeit miteinander verbringen und sich in dieser neuen Familienkonstellation gut zurechtfinden.

Die Erwachsenen in einer Patchwork-Familie müssen fähig sein, an einem Strang zu ziehen und Probleme zu besprechen und zu klären. Wenn Erwachsene dies tun, dann fühlen sich die Kinder sicher und geborgen.  

Wenn es schwierig zwischen den Erwachsenen schwierig ist, könnte es auch sein, dass die Kinder denken, sie dürfen zu dem neuen Elternteil, also dem neuen Partner der Mutter oder des Vaters, keine enge Beziehung entwickeln. Denn damit würden sie ja das andere Elternteil hintergehen. Das wollen wir natürlich vermeiden. Kinder spüren Schwingungen ganz stark. Und immer, wenn ich zum Vater gehe und vom neuen Freund der Mutter erzähle und der rollt jedes Mal mit den Augen, dann ist das eine Botschaft ans Kind.

Das reicht schon aus, dass das Kind weiß: Okay, hier spreche ich lieber nicht darüber. Und wenn ich zu Hause bin, dann gucke ich mir den noch einmal ganz genau an, um zu gucken, ob das wirklich ein guter Mensch ist oder ob er nicht vielleicht doch etwas Böses will.

8. Beruft Familienkonferenzen ein

Nach der anfänglichen vorsichtigen Kennenlernphase, wo jeder versucht sich zurückzunehmen und seine Emotionen zu zügeln, kommt die Phase, in der plötzlich Streit und hochgeschaukelte Emotionen zum Alltag werden. Gefühlsexplosionen lassen sich kaum vermeiden. Versucht aber einen sicheren Raum zu schaffen, in dem regelmäßig Probleme besprochen werden und Gefühle wie Wut, Trauer und Schmerz Platz haben. So ein Raum kann eine Familienkonferenz sein, bei der jedes Familienmitglied frei aussprechen darf, was es bedrückt, was es ärgert, was es sich wünscht.

Führt eine Familienkonferenz als Ritual ein. Einen fixen Zeitpunkt in der Woche zu haben, an dem man weiß, dass man seine Probleme äußern darf, gibt Halt im sonst chaotischen Familienwerdungsprozess.

9. Eine zweite Chance, ein tolles Vorbild zu sein


Eltern sollten sich vor Augen halten, dass sie mit der Patchwork-Familie nun eine zweite Chance erhalten, ihren Kindern Liebe und Partnerschaft vorzuleben. Das muss nicht völlig konfliktfrei ablaufen, doch so harmonisch wie möglich. Wenn Kinder mitbekommen, wie Eltern sich streiten, sollten sie auch mitbekommen, wie sie sich wieder versöhnen.
Um sich auf diesen Neustart gut vorzubereiten, kann beispielsweise eine Paartherapie hilfreich sein.

Quellen:



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